ANLEITUNG ZUM FLIEGEN Poem by Ulrike Almut Sandig

ANLEITUNG ZUM FLIEGEN

I. breite die Arme schulterhoch aus. verhalte dich, als könntest du
fliegen.
II. sei wie der Pfarrer im schwarzen Talar, der ohne es selber zu
merken mitten im Schlusssegen vom Boden abhob, zum
Glockenstuhl flog und von dort aus in tiefen Schlaf fiel und fiel.
III. halte dich an die windschiefen Hecken am Dorfrand, die
Nebelbänke, die Wälder.
IV. rüttel am Backpfeifenbaum der Geschichte.
V. lass dich nicht hetzen. und wenn sie dich hetzen, dann flieh.
VI. lass dich nicht schinden. und wenn sie dich schinden, finde
heraus.
VII. finde Verstecke. kletter auf Bäume, bau dir kein Haus.
VIII. sei wie die Fliege mit Schlinge um den Chitinhals, die Runde um
Runde im Küchenlicht flog, bis ein gelangweilter Junge genug
vom Spiel hatte. putz deine Wunden.
IX. steig auf eine Grenzmauer und jubel darauf. kriech unter
Maschendrahtzäunen hindurch.
X. vertrau auf die Fliehkraft.
XI. sei wie die Fledermaus, die ohne anzustoßen aus dem
Laborfenster flog, nachdem man ihr beide Augen ausstach, um
den Fledermaussinn zu erforschen.XII. benutz keine List. sei nicht getrost. zähle bis Dreizehn und
spring.

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