DAS ZIMMER Für Derek Walcott Poem by Adam Zagajewski

DAS ZIMMER Für Derek Walcott

Das Zimmer, in dem ich arbeite, ist sechseckig
wie ein Spielwürfel.
Darin gibt's einen Holztisch
von starrköpfigem bäurischem Umriß,
einen trägen Sessel und ein Teekännchen
mit wulstiger Habsburgischer Lippe.
Durchs Fenster sehe ich ein paar dürre Bäume,
dünne Wolken und Kinder aus der Vorschule,
immer vergnügt, laut.
Manchmal blitzt in der Ferne die Scheibe eines Autos auf
oder, höher, die Silberschuppe eines Flugzeugs.
Andere vergeuden offensichtlich nicht ihre Zeit,
während ich arbeite, suchen sie Abenteuer
auf der Erde und im All.
Das Zimmer, in dem ich arbeite, ist eine camera obscura.
Was aber ist meine Arbeit -
lange reglos warten,
Zettel wenden, geduldig meditieren, eine
Passivität, die dem Richter mit gierigem Blick
nicht gefallen würde.
Ich schreibe so langsam, als hätte ich zweihundert Jahre zu leben.
Ich suche Bilder, die es nicht gibt,
und wenn es sie gibt, dann zusammengerollt und versteckt
wie der Sommeranzug im Winter,
wenn Frost den Mund verletzt.
Ich träume von absoluter Konzentration; fände ich sie,
hörte ich wohl auf zu atmen.
Vielleicht ist es gut, daß mir so wenig gelingt.
Aber ich höre doch, wie der erste Schnee pfeift,
höre die sanfte Melodie des Tageslichts
und das bedrohliche Grollen der großen Stadt.
Ich trinke aus kleiner Quelle,
mein Durst ist größer als der Ozean

COMMENTS OF THE POEM
READ THIS POEM IN OTHER LANGUAGES
Close
Error Success