Wie Üblich Poem by Wolfgang Steinmann

Wie Üblich

Ich wandle auf den Gartenwegen
Und die Osterglocken
Tanzen, und Blausterne locken.
Ich wandle auf den üblichen Gartenwegen
In meinem steifen Brokatkleid mit Schleife.
Mit meinem gepuderten Haar und verzierten Fächer
Bin auch ich sonderbar
Üblich wenn ich so
Über die Gartenwege streife.
Mein Kleid ist üppig bestickt,
Und die Schleppe,
Ein Klecks auf der Treppe
Und den Nelken am Wegrand,
Glänzt rosa und silbern.
Nur ein Abbild der heutigen Mode
Stolpernd auf zierlichen Stöckelschuhen.
Da ist nichts Weiches an mir
Nur Walfischknochen und Brokatgebinde.
Und ich sinke im Schatten der Linde
Auf eine Bank. Denn ich liege
Mit dem steifen Brokat im Krieg.
Die Osterglocken und Blausterne
Flattern im Wind,
Wie sie so sind.
Und ich heule.
Die Linde blüht und kleine Flusen
Fallen herab auf meinen Busen.

Und die Wassertropfen spritzen wie Brände
Im marmornen Brunnen,
Rinnen über die Gartenwege.
Und das Tropfen hat kein Ende.
Unter meinem gesteiften Kleid
Ist ein Frauenkörper weich vom Bad in der Schale von Marmor,
Eine Schale, umwachsen von Hecken so breit,
Sie kann ihren versteckten Liebhaber nicht sehen;
Aber sie fühlt, er ist hier,
Und das schmeichelnde Wasser
Ist wie das Streicheln mir
Von geliebter Hand.
Was ist schon der Sommer in einem schicken Brokatkleid?
Wie gerne sähe ich es auf den Rasen geworfen,
All das Rosa und Silber achtlos auf den Rasen geworfen.

Ich würde rosa und silbern sein und über die Wege rennen.
Ich würde ihn verwirren,
Mit meinem Girren.
Ich sähe sein Schwert in der Sonne blitzen, ie Schnallen an seinen Schuhen.
Ich würde nicht ruhen,
Und ihn auf den üblichen Wegen verführen,
Ein lachendes, helles Labyrinth für meinen gestiefelten Kater.
Bis er mich endlich im Schatten finge,
Mir seine Westen-Knöpfe ins Fleisch presste und mich umfänge,
Verwundbar, ergeben und furchtlos.
Im schattigen Laub gebrochen vom Licht des Sonnenstrahls,
Im Sprühen des fallenden Wasserstrahls,
Füllt der weite Nachmittag alles um uns herum -
Ich glaube, ich falle gleich ohnmächtig um:
Brokat ist heiss, wenn's bis zum Knöchel reicht,
Und die Sonne durch die Schatten schleicht.

Unter den Lindenflusen
Auf meinem Busen
Ist ein Briefleicn versteckt.
Es kam heute Morgen mit einem Reiter vom Herzog.
„Madam, mit grossem Bedauern teilen wir mit, dass Herr von Hartwell
Gefallen ist in Donnerstags kleinem Scharmützel.'
Ich las es im frühen Morgenlicht
Und die Worte tanzten vor meinen Augen wie Schlangengezücht.
„Eine Antwort, Madam? ' sagte mein Kammerdiener.
„Nein, ' sagte ich.
„Und sorgen Sie dafür, dass der Bote etwas zu essen bekommt.
Nein, keine Antwort.'
Und ich wandelte kreuz und quer
Über die üblichen Gartenwege
In meinem steifen, standesgemässen Brokat.
Jede blaue und gelbe Blume reckte den Kopf in die Sonne,
Mit Wonne.
Ich reckte mich auch,
Das ist so üblich
In Kleidern so steif.
Kreuz und quer ging ich umher
Kreuz und quer.

In einem Monat wäre er mein Mann geworden.
In einem Monat, hier, unter dieser Linde.
Wir sind nun mal nicht von der üblichen Sorte,
Er nicht für mich und ich nicht für ihn,
Er, der Oberst, ich, die Madam,
Auf dieser schattigen Bank.
Er hatte so eine Marotte,
Dass Sonnenlicht ein Segen sei.
Und ich sagte: „Dein Wort mein Gebot! '
Jetzt ist er tot.

Sommer und Winter werde ich wandeln
Kreuz und quer
Über die Gartenwege
In meinem Kleid aus Brokat so schwer.
Die Blausterne und Osterglocken
Werden Stockrosen und Astern Platz machen, und Schnee.
Und ich geh'
Kreuz und quer
In meinem Kleid so schwer.
Wunderbar geschweift,
Formell und gesteift.
Meinen weichen Leib vor Umarmung beschützen
Knöpfe und Haken und Spitzen.
Denn der Mann, der mich erlösen sollte, ist tot.
Im Kampf mit dem Herzog von Flandern,
Einem Krieg, so wie üblich.
Mein Gott! Warum denn ‘Wie üblich'?

(nach Amy Lowell: Patterns,
aus dem Englischen)

This is a translation of the poem Patterns by Amy Lowell
Friday, October 3, 2014
Topic(s) of this poem: loneliness
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