Wem Ich Zu Gefallen Suche, Und Nicht Suche Poem by Gotthold Ephraim Lessing

Wem Ich Zu Gefallen Suche, Und Nicht Suche

Alten, alt zu unsrer Pein,
Denen von der Lust im Lieben,
Von der Jugend, von dem Wein,
Das Erinnern kaum geblieben;
Weibern, die der Taufschein drueckt,
Wenn ihr Reiz der sonst entzueckt,
Sonst gestritten, sonst gesiegt,
Unter Schichten Runzeln liegt;
Dichtern, die den Wein nicht loben,
Die die Liebe nicht erhoben;
Maegdchen, die nicht Gleimen kennen,
Rosten nicht vortrefflich nennen;
Weisen, die mit leeren Grillen
Leere Koepfe strotzend fuellen;
Maennern, die die Sitten lehren,
Und dich, Molier, nicht ehren,
Stolz auf ihr Systema sehn,
Und dich muntern Schauplatz schmaehn;
Handelsleuten, die das Geld,
Und ihr Stolz zu Fuersten stellt;
Falschen Priestern, die die Tugend,
Mir nicht munter wie die Jugend,
Mir nicht schmackhaft, mir nicht suesse,
Wie den Wein, und wie die Kuesse,
Mir nicht reizend, wie die Strahlen,
Aus der Phyllis Augen malen;
Stutzern, deren weisser Scheitel,
Deren reich und witzge Tracht,
Dummgelobte Schoenen eitel,
Und zu ihresgleichen macht;
Unversuchten stolzen Kriegern;
Aufgeblasnen Federsiegern;
Aeltlichklugen jungen Leuten;
Seufzenden nach bessern Zeiten;
Schwermutsvollen Gallenchristen;
Allen Narren, die sich isten;
Zum Exempel, Pietisten;
Zum Exempel, Atheisten;
Zum Exempel, Rabulisten;
Operisten und Chymisten;
Quietisten und Sophisten;
Und nicht wenigen Juristen;
Publizisten und Statisten;
Und nicht wenigen Linguisten;
Und nicht wenigen Stylisten;
Und nicht wenig Komponisten----
O der Atem will mir fehlen
Alle Narren zu erzaehlen----
Allen, die mich tadelnd hassen,
Die mein Leben voller Freude
Mich nicht, aus verstelltem Neide,
Ungestoert geniessen lassen;
Diesen Toren, diesen allen
Mag ich ** nicht gefallen,
Mag ich, sag ich, nicht gefallen.

*

Alten, die der Wein verjuengt,
Die mit zitternd schwachen Toenen,
Wenn die Jugend munter singt,
Ihr noch gleich zu sein sich sehnen;
Weibern, die, was an sich zieht,
Reiz und Jugend noch nicht flieht,
Die des Schicksals harte Hand
Weibschen Maennern zugewandt;
Jungen Witwen, die sich graemen
Flor und Trauer um zu nehmen,
Und mit schwergereizten Zaehren
Nur den andern Mann begehren;
Dichtern, die wie Dichter kuessen,
Nichts als sich zu freuen wissen;
Dichtern, die wie Dichter zechen,
Nie versagten Beifall raechen;
Dichtern, die bei Kuss und Wein
Miltons lassen Miltons sein;
Dichtern, die im Scherze stark,
Mit Geschichten voller Mark,
Muntern Maegdchen munter lehren,
Was die Muetter ihnen wehren;
Dichtern, die mich spottend bessern,
Kleine Fehlerchen vergroessern,
Dass ich sie in ihrem Spiele
Desto laecherlicher fuehle;
Rednern, die stark im Verstellen
Uns vergnuegend hintergehn,
Wenn wir sie in zwanzig Faellen
Zwanzigmal nicht selber sehn,
Bald als Unglueckshelden sprechen,
Bald die Tugend spottend raechen,
Bald als Koenige befehlen,
Bald als alte Maenner schmaelen;
Kuenstlern, die auf Zaubersaiten
Sorg und Harm durchs Ohr bestreiten,
Und mit heilsam falschen Leide
Daempfen uebermaessge Freude;
Federbueschen, die nicht prahlen;
Reichen, welche reich bezahlen;
Kriegern, die ihr Leben wagen;
Armen, welche nicht verzagen;
Allen liebenswuerdgen Maegdchen,
Liebenswuerdgen weissen Maegdchen,
Liebenswuerdgen braunen Maegdchen,
Liebenswuerdgen stillen Maegdchen,
Liebenswuerdgen muntern Maegdchen,
Waeren es gleich Buergermaegdchen,
Waeren es gleich Kaufmannsmaegdchen,
Waeren es gleich Priestermaegdchen,
Waeren es gleich Karnmermaegdchen,
Waeren es gleich Bauermaegdchen,
Wenn sie nur die Liebe fuehlen,
Lachen, scherzen, kuessen, spielen;
Diesen, Freunde, diesen allen
Wuensch ich zu gefallen,
Wuensch ich, sag ich, zu gefallen.

Wohin, wohin treibt dich mit blutgen Sporen
Die Wissbegier, dich, ihren Held?
Du eilst, o Mylius! im Auge feiger Toren
Zur kuenftgen, nicht zur neuen Welt.

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