Mai 1968 Poem by Wolfgang Steinmann

Mai 1968

Als der Dean uns vom Campus verbannte,
bis die Studenten die Gebäude frei gäben,
legten wir uns mitten auf die Strasse
und machten es klar, dass die Bullen nur über uns
durch dieses Tor kämen. So auf den Pflastersteinen liegend
sah ich die Häuser von New York
vom Boden aus in luftige Höhen steigen und
wie abgeschnitten enden – über ihnen der Himmel,
und die Abendluft der Insel.
Berittene Polizei erschien, ziemlich plötzlich
und während wir sangen begann ich zu zählen,
12,13,14,15,
und ein weiteres Mal,15,16, ein
Monat seit jenem Tag am Strand, keiner mehr da
17,18, mein Mund war offen
mein Haar fiel auf die Strasse,
käme meine Periode heute nicht
wäre ich schwanger. Ich starrte auf die Stiefelsohle
eines Polizisten, den Wallach mit seinem Gehänge –
brächten sie mich ins Frauengefängnis und
gäben mir eine Untersuchung, das Spekulum,
die Finger – der Pferdeschweif schien mir
wie ein Kometenschwanz. Während der Woche hatte
ich mir ausgemalt, wie ich verhaftet würde, mich
fast danach gesehnt, mich aufzugeben. Jetzt, auf dem Teer –
halbwegs noch mutig und halbwegs,
im Lernen noch, in der Hose –
betrachtete ich den eisernen Bogen des
Pferdehufes, die Wöbung seines Bauches, den Schlagstock
des Polizisten, die Gebäude aufwärtsstrebend,
der Erde entfliehend. Und ich wusste genau, dass ich
hätte aufstehen und gehen sollen, aber ich blieb
in die Luft starrend, bis sie sich tief blau färbte
dann aschen, farblos; Schenk mir nur diese eine
Nacht, dachte ich bei mir, und ich schenke diesem Kind
den Rest meines Lebens, die Köpfe der Pferde
jetzt immer tiefer hängend bis sie
im Kreis um mich und mein Kind schliefen.

(nach Sharon Olds: May 1968)

This is a translation of the poem May 1968 by Sharon Olds
Thursday, November 19, 2015
Topic(s) of this poem: fear,power,revolution
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