Ich Sitze Am Fenster Poem by Wolfgang Steinmann

Ich Sitze Am Fenster

Ich habe gesagt, dass das Schicksal ein Spiel ohne Ergebnis spielt,
Und wer braucht schon Fisch, wenn Kaviar den Teller füllt?
Eines Tages würde die Gotik ertragbar sein
Und deine Sinne berauschen, ohne Gras oder Cocain.
Ich sitze am Fenster. Draussen eine Fichte.
Wenn ich liebte, dann liebte ich sehr. Oft war es nicht.

Ich habe gesagt, der Wald ist ein Teil des Baumes irgendwie.
Wer braucht schon ein Mädchen, hat er ihr Knie?
Vom Staub der modernen Ära krank gemacht,
Ruht das russische Auge auf lettischem Kirchendach.
Ich sitze am Fenster. Die Teller sind rein.
Ich war glücklich hier. Werd’ es nie wieder sein.

Ich habe geschrieben: Angst macht die Blume der Zwiebel,
Und Liebe ist kein Tätigkeitswort; die Null
Dachte Euklid sei ein Fernpunkt, das war bei Weitem
Keine Mathematik – es war das Nichts der Zeit.
Ich sitze am Fenster. Und wie ich da so sitze
Bin ich wieder jung. Lache und spucke gelegentlich.

Ich habe gesagt, das Blatt hält die Knospe nicht länger;
Fruchtbarkeit auf trockenem Grund ist – ein Fehlgänger;
Auf flachem Feld, den Ebenen ohne Schatten,
Verschwendet Natur ihrer Bäume Saaten.
Ich sitze am Fenster. Mein Arm auf das Knie gebockt.
Mein schwerer Schatten neben mir hockt.

Mein Lied war verstimmt, meine Stimme war brüchig,
Kein Chor kann es je wieder singen, zum Glück!
Das solches Gerede keinen Nutzen hat erstaunt
Niemand – niemand hat auf meine Hilfe gebaut.
Ich sitze am Fenster im Dunkel. Wie ein Schnell-
Zug brechen hinter dem Vorhang die Wellen.

Als gehorsamer Bürger der zweiträngigen Jahre
Gebe ich stolz zu, meine besten Ideen waren
Zweiträngig, möge die Zukunft in ihnen erblicken
Trophäen für meinen Kampf gegen Ersticken.
Ich sitze im Dunkeln. Und es ist schwer zu erkennen,
Was schlimmer ist: die Dunkelheit draussen oder drinnen.

(nach: J. Brodsky: I Sit by the Window)

This is a translation of the poem I Sit By The Window by Joseph Brodsky
Thursday, March 26, 2015
Topic(s) of this poem: reality
COMMENTS OF THE POEM
Douglas Scotney 26 March 2015

thanks for the intro. to Brodsky

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