Gedicht An Eine Tochter Poem by Wolfgang Steinmann

Gedicht An Eine Tochter

„Ich glaube, ich habe sie bald, "
sagte ich zwischen den Wehen leichthin.
Die Hebamme mit ihren milchig-fetten Armen
rollte nur die Ärmel auf:
„Glaub mir, du wirst sie nie haben,
aber wir werden dich entbinden."
Und diese Behauptung ist wahr!
Ich habe dich nie gehabt,

so wie du mich immer noch hast, Caroline.
Wofür braucht eine Mutter eine Tochter?
Dorn in meinem Herzen, Fessel meiner Zukunft,
Ende meiner Freiheit. Und doch ist nichts schöner
als der rasiermesser-scharfe Schrei,
der einem Baby seine Mutter beschert.
Die blutige Kordel zerreisst, die ihre
Welten vereinte. Das Kind,
so klein und verlassen, macht die Mutter.

Eine Frau hat ihr eigenes Leben,
bis es ihr genommen wird
von diesem ersten, unvergleichbaren Schrei.
Von da an ist sie nie mehr allein,
sondern ein Teil jener
all-bestimmenden Wirklichkeiten:
Zeit, Heimat, Krieg.
Nehmen wir Teil an dieser Welt,
so werden wir, was wir sind.

This is a translation of the poem Poem For A Daughter by Anne Stevenson
Tuesday, August 2, 2016
Topic(s) of this poem: motherhood
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